Die Schwierigkeit von Tricks

Wie geil wäre es denn, ein Einrad Computer Spiel im Stil von Tony Hawks Pro Skater. Man fährt einen Trick. Unten rechts wird er auf dem Bildschirm angezeigt. Dazu die zugehörige Punktzahl. Eine Idee von Felix Dietze.

Die Bestimmung der Schwierigkeit ist bereits die Schwierigkeit selbst. Die Schwierigkeit basiert sicherlich auf subjektiven Erfahrungen. Jeder Einradfahrer hat bereits eine bestimmte Anzahl Verknüpfungen in seinem Gehirn geschaltet, dadurch werden Bewegungsabläufe schwerer oder leichter. Unterschiedliche subjektive koordinative, konditionelle und konstitutionelle Voraussetzungen begünstigen oder beungünstigen die Lerngeschwindigkeit und damit auch die subjektive Schwierigkeit. Das erklärt den subjektiven Wert, aber hier soll ein objektiver Wert gesucht werden.

Bisherige Ansätze

Skill Levels

Skill Level (98er Version) und Schwierigkeit gehen meist oft miteinander einher. Ein historisch gewachsener Irrtum. Sicherlich ist in den Skill Leveln die Schwierigkeit steigend, aber nicht zwingend. In den Skill Leveln sind die Tricks aufeinander aufbauend (oder sollten es sein), wodurch schon die erste Kompontente für die Schwierigkeit benannt wird, nämlich die Abhängigkeit. Jetzt zum Irrtum: Heute wird jeder behaupten Hand Walk ist viel schwieriger als Gliding! Warum? Weil Hand-Walk damals in Skill Level 8 platziert wurde, sogar zusammen mit Gliding. Seit 1998 hat sich dieses Bild aber verändert. Gliding wurde einfacher, weil sich die Wichtigkeit erhöht hat. Über die Jahre hat sich auch in den Köpfen der Menschen dieses Skill-Bild verändert. Gliding ist in diesem – noch von 1998 geprägten Bild – weiter in einen imaginären vorderen Level gerutscht. Auch Standwalk hat sich dort eingefunden. Auch das Wettkampfbild im Freestyle hat das Tricklernen geprägt und einige Tricks aus Sicht des Wettkampfes weniger oder mehr wichtig gemacht. So hat sich die Wichtigkeit von Gliding gegenüber Handwalk, vor allem durch die Wichtigkeit im Wettkampf deutlich erhöht. Von den Abhängigkeiten in der Tricklernreihenfolge, gibt es aber kaum einen Unterschied. Vom 1ft Wheel-Walk zu Standwalk oder zu Handwalk ist also kein großer Unterschied, aus historischen Gründen wird Handwalk allerdings schwieriger behandelt als Standwalk oder Gliding.

Skill Levels werden aktuell neu erarbeitet. Aber auch da und für die Zukunft gilt, die Levels repräsentieren nicht die Schwierigkeit der Tricks!

Standard Skill List

Die Standard Skill List liegt dem gleichen Irrtum auf, wie die Skill Levels. Ein historisch gewachsener Urwald, dessen Förster den Einsatz der Machete zu oft gemieden hat bis 2008. Da gab es eine Revision des Standard Skill Wettkampfes und auch die Standard Skill Liste wurde erweitert und einige Schwierigkeiten wurden anpasst. Das höchste was ich nun finden konnte ist die Schwierigkeit 9.5, Trick 59c (Standcoast-8) – was gibt der Trick wohl rückwärts? Die meisten Tricks liegen im 2er, 3er und im 4er Bereich. Besonders auffallend ist: Je neuer der Trick, desto höher sein Schwierigkeitsgrad! Historisch schwierige Tricks, bleiben allerdings schwierige Tricks – etwa Side Ride und Sideways Wheel Walk. Interessant sind die Single-Short-Skills, in denen sich Tricks aus dem Street und Flatland wiederfinden – mit verändertem vokabular, deswegen schwer zu finden. Als Shaun Johanesson seine Kreativität auslebte und Tricks aus dem Skateboarden im Einradfahren zeigte, fühlte sich der Standard Skill Förster gefordert, die Bäume von Shaun Johanesson zu pflanzen. Es geht los mit einem 180 Unispin, den kannte man ja schon aus dem Skill Level 10. Weil er im Skill Level 10 ist, ist der Trick natürlich auch sauschwer und mit 3.6 Schwierigkeitsgrad ausgezeichnet (215a). Ein 540 unispin wird mit 5.4 Schwierigkeitsgrad belohnt und mit nochmal 180 Grad mehr gibt es 6.8 Punkte. Nun, der 540 unispin gehört mittlerweile zu jedem Haushaltsrepertoire eines Flatlanders/Streeters und auch andere Bekannte zeigen sich üppig ausgezeichnet. Ein Hickflip etwa (220a – crankflip 180 unispin) schlägt mit 5.5 zu, Tendenz mit mehr Flips und Unispins steigend. Vergleichbar das Haushaltrepertoire eines Freestylers Seat Out (3a – 2.0), 1ft (19a – 3.0), Wheel-Walk (30a – 3.3), Gliding (53a – 3.9) und  Standwalk (50a – 4.2). Hinzu kommt, dass die Punktwerte auf das Standardskillfeld zugeschnitten sind. Freestyler benötigen mehr Raum, der Ihnen nicht zur Verfügung steht, deswegen sind die Punkte hier teils höher, dennoch liegen Freestyler-Werte um 2-3 Punkte unter den Werten für Flatlander/Streeter.

Flatlander und Streeter waren aber von diesem Wettkampf wohl nicht angetan (zum Glück?), sie würden den Standard Skill heute wohl dominieren.

Dieses Beispiel zeigt: Alte Gegenbenheiten müssen in den Köpfen erstmal gelöscht werden. Das manuelle Festlegen von Schwierigkeiten führt auch zu keinem Erfolg. Etwas anderes muss her!

Bewegungstyp

Zuerst können wir den Typ der Bewegung betrachten. Hier gibt es die Translation (geradlinige Bewegung) oder Rotation. Rotationsbewegungen gehören nicht in unseren Alltag und sind daher auch nicht stark ausgeprägt. Jeder der seine ersten 10 Runden Spin fährt, wird das deutlich spüren. Das Gehirn ist nicht darauf trainiert, die vielen Informationen, die der Körper während einer Rotationsbewegung sammelt und zum Gehirn leitet ordentlich auszuwerten. So versucht das Gehirn alle Bilder, die während des Spins von den Augen geliefert werden, auszuwerten. Werden die Bilder aber schneller geliefert, als es das Gehirn verarbeiten kann, kommt es zum Chaos. In Japan schaffen Fahrer 120 Umdrehungen in der Minute, in der eine Menge Bildmaterial vom Auge an das Gehirn geliefert wird. Der Trainierte ist hier in der Lage, dieser Flut stand zu halten. Er hat gelernt, diese Informationsflut zu filtern, erfordert aber eine langjährige Anpassung. Gegeben diesem Umstand lassen sich also Rotationsbewegungen als schwerer einstufen als translative Bewegungen.

Mein erster Ansatz, Abhängigkeit

Im Trixionary in der Version 3 hatte ich einen ersten Versuch gestartet, die Schwierigkeit zu berechnen. Diese Berechnungen gehen auf die Beziehungen eines Tricks zurück (siehe Die Eigenschaften eines Tricks ). Am Beispiel 1ft Wheel Walk im Trixionary lassen sich fast alle Beziehungen für einen Trick sehen. Diese im Detail erläutert:

Variationen: Hier sind alle Variationen dieses Tricks aufgeführt.
Davor Lernen: Hier sind Tricks aufgeführt, die man können sollte, ehe man diesen Trick lernt.
Danach lernen: Hier sind Tricks aufgeführt, die man lernen kann, sobald man diesen Trick beherscht.

=> Diese Beziehungen basieren auf einer hohen strukturellen Übereinstimmung der Bewegungsmuster dieser Tricks.

Die Transition in und out sind zwei besondere Beziehungen, die möglichen Übergänge bezeichnen das wechseln von A in diesen Trick oder von diesem Trick in einen bestimmten Trick B.

Für die Berechnung im Trixionary wird jeweils die Beziehung Davor Lernen bis zum Normal Fahren summiert. Der Hintergrund ist: je mehr Tricks man davor lernen sollte, desto schwieriger müsse dieser Trick sein. Ein paar Beispiel-Rechnungen:

Wheel-Walk, Schwierigkeit 1: Normal Fahren
1ft Wheel-Walk, Schwierigkeit 2: Normal Fahren + Wheel Walk
Standwalk, Schwierigkeit 3: Normal Fahren + Wheel Walk + 1ft Wheel Walk
Standgliding, Schwierigkeit 6: Normal Fahren + Wheel Walk + 1ft Wheel Walk + Standwalk + Einbein + Gliding

Standgliding basiert also auf der Lernkette Standwalk und auf der Lernkette Gliding. Im Graph sollte das beides sichtbar sein, jedoch ist das noch das letzte logische Darstellungsproblem, sonst wäre es auch im Graphen visuell sichtbar.

Bei dieser Berechnung werden die Transitions ausgelassen. Transitions gibt es sehr viele und auch unterschiedliche. Es ist auch locker möglich aus dem Seat out fahren mit einem Sprung ins Standgliding zu kommen. Seat out ist aber eine unlogische Verbindung ins Standgliding, da die Bewegungsmuster nicht aufeinander aufbauend sind. Auch gibt es mehrere Möglichkeiten vom Seat out ins Standgliding zu kommen. Normal springen, mit 180 unispin, mit 360 unispin… die Möglichkeiten sind hier also unbegrenzt. Für die Berechnung erhalten wir dadurch einen undefinierten Wert mit dem sich eben nicht rechnen lässt, daher fällt er aus dieser Berechnung heraus.

Der hier ermittelte Wert kann eine ganz gute Richtgröße sein, geht es darum die Schwierigkeit eines Tricks an seinen Beziehungen fest zu machen. Anzumerken ist aber, dass die eingetragenen Beziehungen auf den Einträgen im Trixionary beruhen, die wiederum von jedem Mitglied auf einradfahren.de verändert werden können. Je nach Individuum ist Handwalk aus dem Einbein oder dem Wheel-Walk leichter und so sind beide Beziehungen in der Datenbank geschaffen.
Das Resultat ist eine lineare oder gar multilineare Größe. Als Richtgröße kann dieser Wert als Zwischenlösung ein Anhaltspunkt sein, als Dauerlösung scheidet er aber aus.

Die Wichtigkeit als Indikator für die Schwierigkeit?

Ein anderer Wert, der sich aus den Beziehungen im Trixionary erhalten lässt ist die Wichtigkeit. Eine Summe aus den Beziehungen Variationen, Davor Lernen und Danach Lernen. Dieser Wert zeigt an, wie wichtig dieser Trick ist, weil er mit vielen anderen in Beziehung steht und dessen Bewegungsmuster ausschlaggebend für viele weitere Tricks ist. Überlegenswert allerdings noch die Summierung durch die Tricks aus „Davor Lernen“.

Weiter gedacht ließe sich die Wichtigkeit sogar staffeln. Wichtigkeit 1. Grades, 2. Grades… n. Grades. Die Wichtigkeit 2. Grades etwa würde zusätlich die Wichtigkeit addieren, die sich aus den Beziehungen ergibt. Komplizierte Theorie, ein Beispiel. Zur Wichtigkeit zählen nun also die Beziehungen aus Variationen, Davor und Danach Lernen (Transitions ausgelassen, Doppelnennungen nur einmal berücksichtigt). Am Beispiel Wheel Walk:

Wichtigkeit, 1. Grad: Davor Lernen (1) + Danach Lernen (9) = 10
Wichtigkeit, 2. Grad: Wichtigkeit 1. Grad (10)
+ Wichtigkeit, 1. Grad von Normal Fahren (9)
+ Wichtigkeit, 1. Grad von 1ft. Wheel Walk (5)
+ Wichtigkeit, 1. Grad von Sidways WW (2)
+ Wichtigkeit, 1. Grad von WW SIF (1)
+ Wichtigkeit, 1. Grad von WW SIB FBF bwd (0)
+ Wichtigkeit, 1. Grad von WW SIB (1)
+ Wichtigkeit, 1. Grad von WW Seat on Side (0)
+ Wichtigkeit, 1. Grad von 1ft WW Seat on Side (0)
+ Wichtigkeit, 1. Grad von Sideways WW 1ft (0)
+ Wichtigkeit, 1. Grad von Sideways WW Sitting on Seat (1)
= 29

Im ersten Grad ist der Trick also für 10 weitere Tricks wichtig, im 2. Grad schon für 29. Hier entsteht ein exponentielles Wachstum der Wichtigkeit.

Ob und welche Wichtigkeit für die Berechnung der Schwierigkeit eines Tricks mit einzubeziehen ist, bleibt offen. Der erste Grade, der zweite, gar der dritte oder vielleicht auch das arithmetische Mittel von einem dieser. Der erhobene Zeigefinder winkt mit dem Skill Levels und Handwalk VS Gliding VS Standwalk Beispiel.

Quo Vadis?

Bewegungstyp + Abhängigkeit (+ Wichtigkeit). Diese Werte sind sicherlich nicht zu verachten, wenn es um die Berechnung der Schwierigkeit geht.

Hier ist noch kein Land in Sicht. Ich würde mich freuen hier Unterstützung zu bekommen. Das soll auch nicht unentlohnt bleiben. Für qualtitativ kreative und fundierte Einsendungen (mit einem kurzen Satz oder Absatz geb ich mich so schnell nicht zufrieden) oder die fertige Formel für Thomas Gossmann Pro Unicycling werden belohnt ! Der Webshop www.betterforyourbody.com lässt für einen guten Einfall, der dem Einradfahren hilft ein Goodie springen – es lohnt sich echt!

P.S. Je nachdem wie die Resonanz ist, würde ich hier eine API für das Trixionary entwickeln, sodass Berechnungen mit den Daten des Trixionary möglich sind.

 

Ich danke vielmals

gossi